Verhaltenskodex
Elif Çak Köm 2018
1. Einleitung und Zielsetzung
Als Mitglieder von Off-University - Organisation für den Frieden e.V. tragen wir die Verantwortung dafür, die höchsten ethischen Standards der Initiative und der größeren Gemeinschaft, innerhalb derer wir uns bewegen, zu wahren. Der Verein setzt auf Integrität, Unabhängigkeit und Transparenz und strebt danach, diese Werte in all seinen Aktivitäten zu leben, auch in Fragen der Finanzierung.
1.1. Was ist der Ethikkodex?
Der Ethikkodex (Kodex) übersetzt die Selbstverpflichtung der Off-University auf ethische, professionelle und rechtliche Standards in Regeln und Richtlinien, die der Orientierung dienen und Grundlage sind für unsere täglichen und langfristigen Entscheidungen und Handlungen.
1.2. Für wen ist der Ethikkodex verpflichtend?
Der Kodex besitzt Gültigkeit für alle Mitglieder der Off-University-Gemeinschaft, als Richtschnur für die Entscheidungsfindung entlang unserer übergreifenden Ziele. Alle Mitglieder sind verpflichtet, diese Verhaltensstandards zu wahren. Der Vorstand des Vereins kann von seinen Befugnissen Gebrauch machen, um die Befolgung des Kodex sicherzustellen.
2. Unsere Vision und unsere Ziele
Wir haben Off-University gegründet, um neue und emanzipatorische Möglichkeiten für Forschung und Lehre zu schaffen. Ins Leben gerufen von und für Wissenschaftler_innen und Studenierende aus der Türkei, wendet sie sich an eine weltweite Öffentlichkeit: Forscher_innen, die Opfer einer „Säuberung“ ihrer Institution wurden, die zur Kündigung gezwungen wurden, die von anti-demokratischen Regimen aufgrund ihrer Meinung und Forschung rechtlich und politisch verfolgt werden oder zum Teil sogar im Gefängnis gelandet sind. Off-University wendet sich außerdem an alle, die solidarisch ihre Stimme gegen diese Verfolgung erheben wollen.
Off-University ist dem Frieden weltweit und dem Zusammenleben in Diversität verpflichtet. Sie stellt sich entschieden gegen Diskriminierung, Belästigung, Ausbeutung, und Einschüchterung. Off-University ist ein Arbeiter_innengeberin, die sich für Gleichberechtigung einsetzt. Sie tritt für Menschen- und Bürger_innenrechte ein und kämpft gegen alle Formen der Diskriminierung basierend auf persönlichen Eigenschaften. Dies umfasst, beschränkt sich aber nicht auf Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Ethnizität, aufgrund von Religion, Klasse, körperlicher oder geistiger Behinderung, Alter, aufgrund des Status als Migrant_in oder Bürger_in, des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität, oder aufgrund des Familienstandes, der emotionalen und sexuellen Orientierung, einer Schwangerschaft, oder des Gesundheitszustandes. Es ist nicht zulässig, das Dulden oder Ertragen diskriminierenden Verhaltens zur Voraussetzung für Anstellung, Beurteilung, Entlohnung oder Beförderung zu machen. Niemand, der einen Verstoß oder Verdacht in gutem Glauben anzeigt, darf dafür gerügt werden oder in irgendeiner Art und Weise Vergeltung zu befürchten haben.
Daher will Off-University Hierarchien in Forschung und Lehre reduzieren, und demokratischere Formen entwickeln. Sie kooperiert dabei mit gleichgesinnten Personen und Institutionen.
3. Leitbild Integrität
Off-University – Organisation für den Frieden e.V. muss sich einen Ruf als unbestechliche Initiative erarbeiten und erhalten. Dazu gehört das Befolgen der sich aus der Satzung ergebenden Pflichten, der Ethikodey, und der Einsatz für eine kontinuierliche, transparente Finanzierung, die wesentlich für den Erhalt der Initiative ist. Beim Aufbau ihrer Strukturen wird Off-University Mechanismen entwickeln, die ein aktives Verfolgen der unter 2 genannten Ziele sicherstellen. Die Anforderung der Integrität macht auch eine transparente Entscheidungsfindung der verschiedenen Gremien der Off-University nötig.
4. Wissenschaftliche Integrität
In unserer Arbeit folgen wir unserer Mission, zu einem friedlichen Zusammenleben in der Welt beizutragen. Wir verpflichten uns, unabhängig zu handeln und unsere (wissenschaftlichen) Inhalte frei vom Einfluss irgendwelcher Spender, Kooperationspartner, Regierungen oder anderer politischer Institutionen zu halten. Unter keinen Umständen werden wir unsere Prinzipien, Ziele und Integrität als Organisation anderen möglichen Vorteilen unterordnen.
4.1. Die Autonomie der Off-University im Verhältnis zu Förderern
Off-University ist Herrin ihrer eigenen Angelegenheiten. Wir nehmen Fördergelder nur ohne Einschränkungen entgegen, die Off-University allein legt also die Ideen und Inhalte der geförderten Forschung und Lehre fest. Gemäß Zuwendungsvereinbarung fertigt Off-University Fortschrittsberichte für die Förderer an.
4.2. Unabhängigkeit der Forschung an der Off-University
Die Forschung und die Forscher_innen der Off-University sind unabhängig. Förderer üben keine Kontrolle über die Forschungsinhalte, ihre Methoden oder Daten aus. Die Forscher_innen der Off-University sollten alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass Dritte Einfluss auf ihre Forschung und Lehre nehmen.
4.3. Forschungsgrundsätze
Die zuständigen Gremien der Off-University legen die Forschungsstrategie und Forschungsschwerpunkte der Universität fest. Die einzelnen Forschungsgruppen wiederum bestimmen die Themen und Methoden der Forschung in den festgelegten Schwerpunktbereichen. Die Forschungsgruppen sind in der Durchführung ihrer Forschung unabhängig und gehen nach eigenem Ermessen vor. Der/die jeweilige Autor_in trägt die inhaltliche Verantwortung für Veröffentlichungen. Die Forschung an der Off-University unterliegt regelmäßigen Qualitätskontrollen. Vor Beginn von Forschung an Menschen oder der Untersuchung menschlicher Proben benötigen Forscher_innen die Zustimmung der Ethikkommission.
4.4. Grundsätze für die Lehre
Unsere Dozent_innen bestimmen die Inhalte und Methoden der angebotenen Lehrveranstaltungen. Sie gestalten die Lehre so, wie sie es im jeweiligen institutionellen Kontext für angemessen erachten. Die Autor_innen der jeweiligen Lehreinheiten sind verantwortlich für deren Inhalte. Die Qualität der Lehre unterliegt regelmäßigen Qualitätskontrollen. Alle Lehrmaterialien der Off-University werden von ausgewählten Expert_innen in den jeweiligen Feldern entwickelt und/oder geprüft. Die Forschungsgruppen der Off-University entwickeln neue Lehrveranstaltungen zusammen mit den zuständigen Gremien.
4.5. Open-Access-Leitlinien
Der kostenlose und öffentliche Zugang zu Forschungsergebnissen ist von bedeutendem sozialem und politischem Nutzen und dient darüber hinaus der Entwicklung neuer Forschung. Off-University setzt sich dafür ein, dass veröffentlichte Forschungsergebnisse frei zugänglich sind. Dafür wird Off-University Leitlinien für Open Access entwickeln. Ziel ist die frei zugängliche Veröffentlichung der Forschungsergebnisse der Off-University in Open-Access-Journals, die auch die unter 5 genannten Anforderungen erfüllen.
5. Zivilklausel
5.1. Forschung und Lehre für den Frieden
Die Arbeit der Off-University baut auf dem Einsatz für Frieden in der Welt und das Zusammenleben in Diversität auf. Die Forschung, besonders zur Entwicklung und Optimierung von technischen Systemen, sowie die Lehre an der Off-University dienen ausschließlich der zivilen Nutzung. Das heißt, an der Off-University wird keine Forschung für die militärische Nutzung oder die Verteidigung betrieben. Dies schließt sogenannte ‚dual use‘-Forschung ein, die voraussichtlich Wissen, Informationen, Produkte oder Technologien hervorbringt, die sowohl für zivile und militärische Anwendungen genutzt werden können.
5.2. Friedensorientierung und Finanzierung
Auch bei ihren Finanzierungsquellen folgt Off-University einer strikt zivilen Orientierung. Off-University und ihre Mitglieder akzeptieren oder beantragen keine Mittel aus Quellen, die an der Entwicklung, Produktion oder Vermarktung von militärischen oder ‚dual use‘-Produkten beteiligt sind. Off-University nimmt keine Mittel an von Herstellern von militärischen und ‚dual-use‘-Produkten, oder von mit Ihnen verbundenen Förderern.
5.3. Umsetzung der Zivilklausel
Die Umsetzung der Zivilklausel der Off-University bedarf einer Kultur der Reflektion und Verantwortung auf Seiten ihrer Mitglieder. Das Thema ist komplex (wie etwa die weite und mehrdeutige Definition von ‚dual use‘), und so wie sich institutionelle und geschäftliche Rahmenbedingungen verändern, wird sich die Implementierung der Zivilklausel stetig weiterentwickeln müssen. Das verlangt nach einer genauen Prüfung, die nicht darauf zielt, bestimmte Forschung oder Förderung global zu „erlauben“ oder „verbieten“, sondern auf eine detaillierte Abwägung von Finanzierungsquellen und geplanter Forschung. Dafür braucht es ein stetes Bewusstsein und kritische Selbstreflektion. Das Prozedere zur Umsetzung der Zivilklausel soll diese grundlegende Idee aufgreifen.
Off-University bildet eine Ethik-Kommission. Jede_r Angehörige_r der Off-University kann sich an diese Kommission wenden, um Fälle durch Anhörung oder Empfehlungen klären zu lassen, oder um Beratung zur Unterstützung einer Selbsteinschätzung zu erhalten. Die Kommission entscheidet im Konsens. Die Ethik-Kommission verabschiedet Ethikrichtlinien und macht sie Interessierten zugänglich. Die Kommission wird vom Vorstand der Off-University für die Dauer von einem Jahr ernannt, und setzt sich ausschließlich aus Mitgliedern der Off-University – Organisation für den Frieden e.V. zusammen.
Um die Friedensorientierung der Forschung und Lehre an der Off-University sicherzustellen, werden wir ein System der individuellen Selbsteinschätzung implementieren für jede_n, der zur Forschung und Lehre beiträgt. Das wichtigste Mittel zur Umsetzung sind die von der Ethik-Kommission verabschiedeten Ethikrichtlinien. Forscher_innen und Dozent_innen sollen sich auf ihrer Grundlage vor Beginn ihrer Projekte/Kurse rückversichern und klären, ob Teile ihrer Arbeit möglicherweise unter den Ethikkodex fallen.
Durch eine genaue, fallweise Prüfung der Ziele von Förderorganisationen und deren Finanzierungsquellen soll eine strikt zivile Ausrichtung der Finanzierung der Off-University erreicht werden. Dafür bedarf es noch vor jedem Antrag auf Förderung einer gründlichen und verantwortungsbewussten Untersuchung aller verfügbaren Informationen über die Finanzierungsquellen und bekannten Ziele einer Förderorganisation. Diese Untersuchung fällt in die Verantwortlichkeit jedes_r Antragsstellers_in.
6. Transparente Finanzierung
Off-University verpflichtet sich zu Transparenz und Offenheit bezüglich ihrer Finanzierung. Off-University legt jährlich detailliert ihre Einkünfte offen. Spenden über eintausend Euro werden mit exakter Summe und Name des Spenders ausgewiesen. Beitragende, die unter ernsthaftem politischen Bedrohung oder Druck stehen, dürfen nur dann nicht benannt werden, wenn die Ethikkommission dies für angebracht hält. Off-University veröffentlicht einen jährlichen Finanzbericht mit den jährlichen Einnahmen und Ausgaben.
7. Arbeitsbeziehungen in Off-University
7.1. Allgemeine Richtlinien für Off-University als Arbeitgeberin
Im Hinblick auf bezahlte Arbeitskräfte ist der Vorstand von Off-University der Arbeitgeber. Damit ist er dafür verantwortlich, Entscheidungen hinsichtlich von Arbeitsverhältnissen zu treffen und zu kommunizieren, wie auch den Arbeitnehmer*innen regelmäßig Rückmeldung in Bezug auf ihre Arbeit zu geben. Off-University’s Mission entsprechend, wird vom Vorstand erwartet, gemeinsam mit den Arbeitnehmer*innen Feedback-Mechanismen einzuführen, die Raum für gegenseitiges Feedback und die Verbesserung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen.
Off-University ist eine Arbeitgeberin, die Chancengleichheit fördert. Diskriminierendes Verhalten im Kontext der Weiterführung und Evaluierung, sowie der Entlohnung und Beförderung des Arbeitsverhältnisses wird nicht geduldet. Keine Person, die ohne Hintergedanken einen Verdacht auf Verletzung dieser Regel äußert, wird dafür ermahnt oder in anderer Form benachteiligt.
7.2. Maßnahmen zur Verwirklichung
Im Fall einer Beschwerde können sich sowohl Arbeitnehmer*in als auch Arbeitgeber*in an die Ethik-Kommission um Rat wenden und ihre Sorgen durch Rücksprache und eine begleitete Anhörung klären. Im Fall eines Konflikts nimmt die Ethik-Kommission die Rolle einer neutralen Mediatorin ein, die beide Seiten anhört und einen Vorschlag macht, wie mit der Beschwerde umzugehen ist. Als Basis für die Entscheidung der Ethik-Kommission dient der Verhaltenskodex der Organisation.
Die Ethik-Kommission nimmt sich Fällen an, die von jedweder Seite geäußert werden. Sie sammelt Stellungnahmen von allen Beteiligten und nimmt im Rahmen des Konflikts die Rolle der Mediatorin, Moderatorin, und falls nötig, der Schlichterin ein. Abschließend verfasst sie einen Bericht über das Geschehene, der die Situation aus der Perspektive aller Beteiligten erläutert. Im Anschluss tritt sie an alle Involvierten nochmals heran und fragt, ob sie mit dem Ausgang zufrieden sind. Falls eine der Parteien mit der Lösung nicht zufrieden sind, stimmt die Mitgliederversammlung darüber ab, ob eine weitere Untersuchung nötig ist. Wird eine solche Notwendigkeit beschlossen, formiert sich für diesen speziellen Fall eine unabhängige Kommission, die als letzte interne Schlichterin agiert.“
(Version 15.08.2020, zuerst angenommen am Off-Jahrestreffen 2020, Berlin)